Zum 56. Mal tritt der VfB Stuttgart am Samstag in Dortmund an (15.30 Uhr im LIVETICKER). Nur selten kam er als Favorit, aber oft sah er gut aus und mehr als die Hälfte der Spiele (30) hat er dort nicht verloren. Der höchste Sieg, ein 5:1 vor rund fünf Jahren, hatte Folgen beim BVB.
Denn er beendete die Trainerkarriere von Lucien Favre in der Bundesliga – was für manchen überraschend kam.
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CAPTION: Die Bundesliga-Karriere von Lucien Favre endete nach dem 1:5 gegen den VfB Stuttgart
DESCRIPTION: Die Bundesliga-Karriere von Lucien Favre endete nach dem 1:5 gegen den VfB Stuttgart
Duell mit VfB Stuttgart kostete Favre beim BVB den Job
In der Bild am Sonntag erschien am 13. Dezember 2020 wie üblich ein Kommentar zum Bundesligageschehen. „Darum bleibt 1:5-Favre – wie Löw“, stand darin zu lesen: „Die Dortmunder werden alles probieren, sich mit Favre ins Vertragsende im Sommer zu retten.“
Der Grund: Ebenso wie zum taumelnden Bundestrainer Joachim Löw (nach der von ihm zu verantwortenden 0:6-Schlappe gegen Spanien) gebe es auch zum Dortmunder Trainer Lucien Favre schlicht auf die Schnelle keine Alternative.
Kurz nach Veröffentlichung wurde auch SPORT1-Doppelpass kontrovers über Favres Zukunft gestritten. Während Trainerlegende Hans Meyer für die Weiterbeschäftigung stritt und den Umgang mit Favre „respektlos ohne Ende“ nannte, war der damalige SPORT1-Experte Marcel Reif skeptischer – und sollte Recht behalten.
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CAPTION: CHECK24 Doppelpass: Hans Meyer über Umgang mit Lucien Favre: "Respektlos"!
DESCRIPTION: Steht Lucien Favre nach der Blamage gegen Stuttgart vor dem Aus? Hans Meyer stößt der öffentliche Umgang mit dem BVB-Trainer sauer auf.
Steht Lucien Favre nach der Blamage gegen Stuttgart vor dem Aus? Hans Meyer stößt der öffentliche Umgang mit dem BVB-Trainer sauer auf.
Watzke deutete Favre-Aus schon am Abend an
Um 15.16 Uhr, knapp 22 Stunden nach Abpfiff des Spiels gegen den VfB Stuttgart (1:5), gab der Verein die Trennung von Favre bekannt.
Nach 19 Monaten beim BVB war Schluss und wer Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke am Vorabend gehört hatte, als er um 19.51 Uhr nach einer Krisensitzung das Stadion verlassen hatte, war nicht mehr sonderlich verwundert: „Wenn man zu Hause 1:5 verliert, ist das ein schwarzer Tag. Ich habe die ganze Zeit überlegt, wann es das letzte Mal gewesen ist. Ich weiß es nicht. Wir müssen es jetzt analysieren.“
Es kam, was kommen musste, und Favres Bundesligakarriere endete nach 306 Spielen (mit Hertha BSC, Borussia Mönchengladbach und dem BVB).
Warum musste Favre gehen?
Warum aber kam so mancher Experte zu einer gegenteiligen Prognose? Weil wohl noch nie ein Trainer entlassen worden war, der drei Tage zuvor mit seinem Team die Vorrundengruppe in der Champions League auf Platz eins beendet und das Achtelfinale erreicht hatte – und schon gar keiner, der den besten Punkteschnitt der Vereinsgeschichte (2,09) hatte.
Und hatte er nicht auch fachliche Argumente? Toptorjäger Erling Haaland fehlte gegen Stuttgart und in Zeiten der Geisterspiele war von Heimvorteil keine Rede mehr. Gerade der BVB mit seiner Riesenkulisse und der stimmungsvollen Süd hatte stets besonders davon profitiert.
Dortmund verliert trotz 72 Prozent Ballbesitz mit 1:5
Es gab aber auch Zahlen, die in die Irre leiteten. Das VfB-Spiel ist der beste Beleg dafür. In diesem hatten die Borussen zwar sagenhafte 72% Ballbesitz, wirkten aber trotzdem ratlos, während der VfB mit dem verbleibenden Rest viel mehr anzufangen wusste. Zur Pause stand es noch 1:1, den Foulelfmetertreffer von Silas konnte Gio Reyna noch ausgleichen.
Aber dann gerieten die Borussen unter das Räderwerk des furiosen Aufsteigers, der binnen elf Minuten durch Silas, Förster und Coulibaly auf 4:1 davonzog und in der Nachspielzeit durch Gonzalez für den höchsten VfB-Sieg überhaupt in Dortmund sorgte.
„Wir legen ihnen die Tore eigentlich selbst vor. Das 2:1, 4:1, 5:1 sind Ballverluste, die nie passieren dürfen“, schimpfte Weltmeister Mats Hummels und forderte „endlich sinnvollen Fußball“.
Der demoralisierte BVB-Spielführer Marco Reus leistete dann in acht Worten einen noch größeren Offenbarungseid: „Wir sind keine Mannschaft, die gut verteidigen kann.“ Was die jungen Wilden aus Stuttgart (im Schnitt 22,71 Jahre) gnadenlos ausnutzten.
„Wenn der Kapitän so etwas sagt, ist das das Entlassungsschreiben für den Trainer“, ahnte Marcel Reif im Doppelpass richtig.
Mislintat rächt sich mit Stuttgart am BVB
Auf der Tribüne, auf der wegen der Corona-Bestimmungen nur wenige Auserwählte sitzen durften, rieb sich Sportdirektor Sven Mislintat die Hände.
Drei Jahre zuvor nach Differenzen mit Thomas Tuchel in Dortmund geflogen (2025 bekanntlich nochmal), konnte er nun den Triumph seiner Mannschaft genießen – acht Kicker aus der Startformation hatte er geholt, ebenso den unbekannten Trainer Pellegrino Matarazzo.
Beim VfB 2020 passte alles und die Zukunft sah rosig aus, bei Borussia standen die Zeichen auf Veränderung.
Pressekonferenz von Favre lässt tief blicken
Favre wurde die Wende zum Guten nach der dritten Heimniederlage in Folge nicht mehr zugetraut, auch wenn bei fünf Punkten Rückstand auf die Bayern noch nichts verloren war.
Doch dass in dem ohnehin stets bedächtigen Schweizer, damals schon 63, noch ein Feuer brannte, um alle anzustecken, daran glaubte niemand, der die Pressekonferenz nach dem Spiel sah.
Seiner Analyse fehlte es sichtbar an Tiefe: „Wir waren nicht gut. Stuttgart war gut.“ Dass er selbst von „einer Katastrophe“ sprach, half ihm gewiss nicht.
Die Verantwortlichen ließen es nicht an freundlichen Abschiedsworten fehlen. Sportdirektor Michael Zorc: „Es fällt schwer, diesen Schritt zu gehen. Gleichwohl sind wir der Meinung, dass das Erreichen unserer Saisonziele aufgrund der zuletzt negativen Entwicklung stark gefährdet ist und wir deshalb handeln mussten.“
Watzke dankte für zwei Vizemeisterschaften und stellte fest: „Als Fachmann und als Mensch ist Lucien Favre über jeden Zweifel erhaben.“
Edin Terzic steigt zum Chef auf
Das Vertrauen aber genoss nun ein anderer: Edin Terzic. Der 38 Jahre alte Assistent Favres brachte den BVB sicher in die Champions League (Platz drei) und nach Berlin, wo er gegen RB Leipzig den DFB-Pokal gewann.
Favre beteuerte zwar im ersten Moment, man hätte auch mit ihm „in diesem Jahr am Ende eine erfolgreiche Saison gespielt“. Doch fünf Schwabenstreiche ließen zu große Zweifel aufkommen.
Als Trainer hatte er noch nicht ganz ausgespielt. Er ging zurück nach Nizza, wo nach einem halben Jahr auch Schluss war. Einen neuen Trainer-Job hat der inzwischen 68-Jährige seitdem nicht mehr übernommen.