Der VfL Wolfsburg zählte in letzter Zeit zu den großen Umbauprojekten der Bundesliga. Geschäftsführer Peter Christiansen, der den Werksklub vor 16 Monaten übernommen hat, holte vor der Saison nicht nur einen neuen Cheftrainer, sondern tätigte auch jede Menge Transfers.

Dass Paul Simonis, der neue Coach, jetzt schon wieder Wolfsburger Vergangenheit ist und der ganze Klub wackelt, ist einmal mehr ein hausgemachtes Drama. Dem VfL wird die Trennung von Simonis kaum helfen.

Die Trennung von Paul Simonis wird dem VfL Wolfsburg nicht helfen, denkt SPORT1-Kolumnist Tobias Holtkamp
Die Trennung von Paul Simonis wird dem VfL Wolfsburg nicht helfen, denkt SPORT1-Kolumnist Tobias HoltkampDie Trennung von Paul Simonis wird dem VfL Wolfsburg nicht helfen, denkt SPORT1-Kolumnist Tobias Holtkamp

Viel Geld – aber genau das ist Teil des Problems

Die Wolfsburger zählen, trotz immer größerer Probleme bei VW, nach wie vor zu den Budget-Größen der Bundesliga. Um die 80 Millionen Euro bekommt der VfL allein von seinem Eigentümer pro Saison.

Doch sie haben nicht nur viel Geld in Wolfsburg, sondern auch die Probleme derer, die viel Geld haben. Eigenschaften oder Werte wie Geduld, Durchhaltevermögen und Selbstreflexion lassen sich eben nicht dazuholen.

Vielleicht wäre es bei einem derart internationalen und zusammengewürfelten Kader ratsam, auf der Trainerposition eher die Karte Erfahrung zu spielen – statt auf einen Bundesliga-Neuling zu setzen.

Simonis wächst Situation über den Kopf

So gut Simonis, den Christiansen im Sommer aus Deventer (Niederlande) holte, bei vielen Spielern ankam, so schnell wuchs ihm die Situation mit all den Baustellen, nicht zuletzt politischer Natur, über den Kopf.

Mit den Go Ahead Eagles, Simonis Ex-Klub, hat der VfL Wolfsburg nicht viel bis gar nichts zu tun. Die Klub-Profile könnten unterschiedlicher nicht sein.

Simonis‘ menschliche Art, sein Interesse an den Spielern, ihrer Aus- und Weiterbildung, beeindruckte viele in der Kabine. Auch seine Spielidee, am liebsten dominant und gegen den Ball, kam gut an.

Als im Oktober, nach dem 0:3 gegen Stuttgart, die Stimmung kippte, veränderte sich der Fokus. Die Mannschaft war nicht gefestigt genug, die Diskussionen drumherum auszuhalten.

Wie ein Virus eroberte das Gerede, was man alles besser machen könnte, die Köpfe der Spieler.

Der Kader des VfL Wolfsburg ist gut genug

Apropos: Dem Wolfsburger Kader die Qualität abzusprechen, was in den letzten Wochen immer häufiger zu hören war, sorgt in der Branche für Verwunderung und Unverständnis.

Fußballerisch wie athletisch stehen dem VfL viele Topkräfte zur Verfügung, die auch andere ambitionierte Klubs gerne in ihren Reihen hätten.

Simonis zu entlassen war der einfachste Weg und, wie so oft, eine billige Nummer.

Die Entscheidung zeichnete sich schon seit Wochen ab, weder Christiansen noch Sportchef Sebastian Schindzielorz stellten sich überzeugend vor ihren Trainer – den sie vor fünf Monaten noch unbedingt haben wollten.

Personalwechsel gehören zur DNA beim VfL

Jetzt gibt’s den nächsten Neustart. Ständige Kursänderungen und Personalwechsel in der Führung gehören, so traurig das ist, langsam zur DNA beim VfL. Das hilft dem Klub in keiner Weise.

Wer überzeugt ist und sich aus Gründen für einen Weg entscheidet, der sollte ihn auch mal gehen. Ein gutes Stück lang, nicht immer nur ein Stückchen.

Denn Erfolge im Fußball, allem voran der nachhaltige Aufbau einer Mannschaft, brauchen Zeit, Kontinuität und Beharrlichkeit. Und kein verunsicherndes Wirrwarr.

Tobias Holtkamp war in der Chefredaktion von Sport Bild und Chefredakteur von Transfermarkt.de. Heute berät er Sportler und Marken in ihrer inhaltlichen und strategischen Ausrichtung. Für SPORT1 schreibt...