Der mediale Aufschrei auf der Insel war groß, als Thomas Tuchel für die Länderspiele im Oktober auf Jude Bellingham verzichtete. Die Boulevardblätter überschlugen sich nach der Entscheidung des Nationaltrainers der Three Lions und betitelten diesen unter anderem als „skrupellos“ und „Axtmann“ – auch wenn es vereinzelt Zuspruch gab.
Etwas mehr als einen Monat später hat sich der Wind komplett gedreht. Beim 2:0-Sieg gegen Serbien setzte Tuchel erstmals wieder auf Bellingham – und der Mittelfeldstar von Real Madrid zeigte prompt eine engagierte und ansprechende Leistung.
Dabei hatte der deutsche Coach zuvor bewusst auf eine Startelfgarantie für Bellingham verzichtet und den 22-Jährigen am Donnerstagabend erst in der 65. Minute eingewechselt. Auf der Zehner-Position begann erneut Morgan Rogers von Aston Villa, der in Bellinghams Abwesenheit brilliert hatte.
Bellingham „beherzigt“ Tuchels Botschaft
Doch genau diese Aktion wertete die englische Presse nun als weiteren Teil eines cleveren Schachzugs von Tuchel. Das Portal Goal sprach von „einer klaren Warnung“ an Bellingham, zu zeigen, warum er von Beginn an spielen sollte.
Diese Warnung schien angekommen zu sein: „Er war sehr energiegeladen, als er eingewechselt wurde. Genau das ist die Reaktion, die man von jedem Spieler erwarten sollte, der für sein Land spielt“, erklärte die englische Fußball-Ikone Stuart Pearce über den Auftritt von Bellingham bei talkSport.
Auch Oliver Holt von der Daily Mail würdigte die Antwort des Real-Stars. „Bellingham beherzigte die Botschaft. Er handelte. Er rechtfertigte Tuchels Umgang mit ihm und reagierte auf die bestmögliche Weise.“ Es sei der erste Schritt gewesen, „einen Trainer, der Zweifel an ihm entwickelt hatte, von seinem Wert zu überzeugen“.
„Tuchel hat erreicht, was er wollte“
Der Guardian hob die kalkulierte Motivationstaktik des Trainers hervor: „Tuchel hat erreicht, was er wollte. Sei es durch ein Machtspiel, ein Ziehen an den Fäden oder einfach nur durch das Anstacheln von Jude Bellingham.“
In der Sun wurde Tuchels Vorgehen ebenfalls gewürdigt. „Es war ein lohnendes und erfolgreiches Experiment – und vielleicht ein brauchbarer Plan B für die Weltmeisterschaft“, schrieb Kolumnist Davie Kidd mit Blick auf mögliche Verletzungen.
Gleichzeitig betonte er: „Jede Vorstellung, dass England ohne seinen besten Spieler besser dran sein könnte, wird verworfen, sobald man Bellingham tatsächlich spielen sieht.“
Der 22-Jährige, der auch am 2:0-Treffer durch Eberechi Eze beteiligt war, habe seine Gegenspieler innerhalb weniger Minuten umspielt, „als wären sie nicht da, und wirkte insgesamt eine Klasse besser als alle anderen Spieler im englischen Kader“.