Mit diesem Tabellenführer hat vor dem Start der Saison in der Basketball-Bundesliga (BBL) wohl niemand gerechnet. Nach sieben Spieltagen sind die VET-CONCEPT Gladiators Trier sensationell Erster.

Aber nicht nur in der Liga sorgt Trier für Furore: Der Klub gewann auch im Pokal beide Spiele und ist nur noch einen Sieg vom Einzug ins BBL-Top-Four entfernt.

Auf dem Weg zum großen Coup wartet am Sonntag die wohl schwerstmögliche Aufgabe. Dann kommt zum Pokal-Viertelfinale der Deutsche Meister Bayern München nach Trier.

Maik Zirbes will mit Trier weiter überraschen
Maik Zirbes will mit Trier weiter überraschen Maik Zirbes will mit Trier weiter überraschen

Einer, der den Gegner gut kennt, ist Maik Zirbes. Der Center spielte zwischen 2017 und 2018 für die Münchener und gewann mit den Bayern 2018 das Double. Seit 2023 ist Zirbes zurück bei seinem Jugendverein und will seinen ehemaligen Verein ärgern, wie er im großen SPORT1-Interview erklärte.

Zirbes spricht zudem auch darüber, was die Gladiators aktuell so stark macht, ob die als Hexenkessel bekannte Halle in Trier mit der Stimmung bei seinem Ex-Verein Roter Stern Belgrad mithalten kann und wo der deutsche Basketball im europäischen Vergleich noch hinterherhinkt.

SPORT1: Herr Zirbes, Trier grüßt aktuell von der Tabellenspitze der BBL. Hand aufs Herz: Was hätten Sie Leuten gesagt, wenn sie Ihnen das vor ein paar Monaten gesagt hätten?

Maik Zirbes: Wir haben jetzt gerade mal sieben Spiele gespielt. Von daher ist es für mich noch zu früh, um wirklich von der Tabellenspitze zu sprechen. Dass wir so die Saison reinstarten, habe ich mir natürlich gewünscht. Ich war jetzt keiner, der gesagt hat, dass wir auf jeden Fall oben mitspielen werden. Aber ich wäre schon einer von den Leuten gewesen, die gesagt hätten, dass wir definitiv auch überraschen können und dass wir uns vor keinem Team verstecken brauchen. Das habe ich auch schon klar vor der Saison gesagt. Ich finde, unser Ziel sollte es sein, um die Playoffs mitzuspielen. Da sind wir jetzt auf einem guten Weg hin. Trotzdem sollten wir deshalb jetzt nicht großartig am Rad drehen und uns zu sehr und zu früh freuen.

SPORT1: In neun Pflichtspielen gab es erst eine Niederlage. Was macht Ihr Team so stark?

Zirbes: Die Klischee-Antwort, die jeder von uns aus dem Team, auch Gott sei Dank, nennt, ist unser Teamzusammenhalt und die Teamchemie. Ich glaube, dass es wirklich eklig ist, sich auf uns vorzubereiten, weil man sich so gut wie gar nicht auf uns vorbereiten kann. Bei uns kann jedes Spiel jemand anderes nach vorne treten und das Spiel an sich reißen. Wir scoren sehr ausgeglichen. Unsere Rollen sind sehr genau verteilt, aber dennoch gibt es da sehr viel Bewegung drin. Konkret heißt das: Selbst wenn du unseren Hauptscorer abmeldest, heißt das noch lange nicht, dass du dann einfach das Spiel gewinnen kannst. Passiert das, übernimmt oft einfach ein anderer diese Rolle. So haben wir im Zusammenspiel mit den wirklich guten Charakteren, die wir dabeihaben, einfach eine gute Truppe. Gut ist auch, dass es keine großen Egos gibt und sich jeder einfach für jeden freut. Das ist ganz außergewöhnlich und ist eine unserer größten Stärken.

Trier wieder auf der großen Bühne: „Jetzt ist die Magie wieder zurück“

SPORT1: Welche Rolle spielt Ihr Trainer Jacques Schneider für den Erfolg, den Sie in der bisherigen Saison hatten? Er ist gerade einmal 33 Jahre alt und damit sogar zwei Jahre jünger als Sie. Was zeichnet ihn aus und wie ist Ihr Verhältnis zu ihm?

Zirbes: Mein Verhältnis ist so gut wie es nur irgendwie sein kann. Wir sind sehr, sehr gut befreundet, auch außerhalb der Halle. Wir kennen uns jetzt zwar erst seit drei Jahren, aber das waren drei sehr intensive Jahre. Wir haben uns kennen und lieben gelernt. Und ich glaube, dass sein Anteil als Trainer natürlich definitiv groß ist, aber, dass er gerade auch als Typ, auch wie er den Basketball lebt, unglaublich wichtig ist. Er ist ein Trainer, der definitiv mehr Erfahrung hat als man eigentlich denken würde in dem Alter. Was ihn so ein bisschen auch auszeichnet, ist, dass er sich nicht davor scheut, auch mal Sachen auszuprobieren und auch mal ein bisschen unkonventionelle Sachen zu machen, um den Rhythmus anderer Mannschaften zu brechen. Damit besorgt er uns immer wieder das Momentum.

Die Gladiators Trier begeistern aktuell in der BBL und im Pokal
Die Gladiators Trier begeistern aktuell in der BBL und im Pokal Die Gladiators Trier begeistern aktuell in der BBL und im Pokal

SPORT1: Trier ist als Basketball-Hochburg bekannt. Wie erleben Sie aktuell die Stimmung in der Stadt?

Zirbes: Wir waren eigentlich immer eine Basketball-Hochburg, auch wenn man es zwischenzeitlich leider nicht so sehen konnte, weil es eben leider runterging in die zweite Liga. Da gab es natürlich einen großen Bruch. Aber jetzt ist die Magie wieder zurück. So empfindet man das auch in der Stadt. Jeder schaut Basketball. Jeder Fan von früher kommt wieder zurück. Wir haben unfassbar viele neue Fans dazubekommen. Ich glaube, wir machen einfach wirklich Spaß und die Fans freuen sich, unsere Spiele anzuschauen. Was wir aktuell leisten, wird definitiv sehr wertgeschätzt von den Fans.

SPORT1: Haben Sie das Gefühl, dass Sie auch von dieser Euphorie so ein wenig durch die Saison getragen werdet?

Zirbes: Ja! Die Euphorie hat uns die letzten zwei Jahre schon getragen. Dieses Jahr hat sich dahingehend wirklich gar nichts geändert. Da bin ich auch ganz froh drum. Wir sind Aufsteiger, das darf man nicht vergessen. Und da muss man natürlich dann die Euphorie von der letzten Saison bestmöglich mitnehmen. Deswegen bin ich sehr froh, dass wir das bis jetzt sehr gut umgesetzt haben.

Zirbes: Wollen es „den Stars der Liga so schwer wie möglich machen“

SPORT1: Am heutigen Sonntag wartet mit dem Pokal-Duell mit dem FC Bayern das nächste große Highlight. Kann im Duell David gegen Goliath der Hexenkessel in Ihrer heimischen Halle zum Faktor werden?

Zirbes: Die Fans sind bei uns ein Riesenfaktor. Wir hatten die besten Fans in der Pro A, mit Abstand. Und auch in der BBL haben wir fantastische Fans. Wir haben eine riesengroße Fanbase hier. Die Fans stehen hinter uns und das schon seit drei Jahren. Da sind immer wieder dieselben Leute in der Halle, die unglaubliche Stimmung machen. Das trägt natürlich unfassbar dazu bei.

SPORT1: Worauf dürfen sich die Stars des FC Bayern einstellen, wenn sie nach Trier kommen?

Zirbes: Also die Stars, da halten wir lieber den Ball mal flach. Die spielen auch nur Basketball (lacht). Ich habe ja selbst auch mal da gespielt. Ich weiß also, wie das ist. Für uns muss es ein Tag sein, an dem alles passt. Am besten müssen auch noch die Luftfeuchtigkeit und alles Drum und Dran so sein, dass es für uns optimal ist. Dann müssen uns wahrscheinlich auch die Bayern so ein bisschen unterschätzen. Uns geht es in erster Linie darum, dass wir es den Stars der Liga so schwer wie möglich machen und sie mit unserem Spielstil ein bisschen überraschen. Wenn uns das gelingt, haben wir gute Chancen.

SPORT1: Die Bayern kennen Hexenkessel aus der EuroLeague zum Beispiel von Spielen in Belgrad. Sie haben selbst für Roter Stern Belgrad gespielt. Ist die Stimmung zu vergleichen?

Zirbes: Das ist eine sehr gemeine Frage (lacht). Ich glaube, dass unsere Fans deutschlandweit zu den Besten gehören. Aber ich glaube dennoch, dass man das nicht wirklich mit Belgrad vergleichen kann. Das ist auch nichts gegen unsere Fans in Trier, die wirklich fantastisch sind, aber in Belgrad sind es einfach 25.000 völlig verrückte Fans, die dich da oben ohne anschreien. Die Mentalität ist einfach auch eine andere als bei einem deutschen Fan. Aber beide Hallen sind auf jeden Fall unglaublich laut und es ist sehr schwer für den Gegner zu bespielen.

Maik Zirbes ist voll des Lobes für die Fans der Gladiators Trier
Maik Zirbes ist voll des Lobes für die Fans der Gladiators TrierMaik Zirbes ist voll des Lobes für die Fans der Gladiators Trier

SPORT1: Einen kompletten Vergleich kann man natürlich nicht ziehen. Was kann denn jemand erwarten, der zuvor noch nie im Hexenkessel in Trier war?

Zirbes: Unsere Halle in Trier ist relativ groß, aber dann doch so klein, dass es wirklich sehr, sehr laut sein kann. Unsere Fans sind eben auch sehr laut. Deswegen glaube ich schon, dass man sehr überrascht ist, wenn man vorher noch nie hier war, was das für eine unglaubliche Stimmung ist.

Spiel gegen Bayern? „Glaube, dass wir eine große Chance haben“

SPORT1: Auch für die Bayern haben Sie ja selbst gespielt. Ist es deshalb ein besonderes Spiel für Sie?

Zirbes: Ich bereite mich jetzt nicht großartig anders darauf vor. Ich freue mich eher darauf, meine Kollegen wiederzusehen, die ich schon seit Langem nicht mehr gesehen habe. Aus der Nationalmannschaft kenne ich ja alle. Jetzt freue ich mich mit meinen, ich sage es öfter so, jungen Wilden, zu versuchen, die vermeintlichen Stars so ein bisschen zu ärgern. Mich würde das natürlich freuen, wenn wir das hinkriegen können. Ich glaube, dass wir hier eine große Chance haben. Es ist ein Spiel, da kann alles passieren. Und mit einem Sieg wären wir einfach im Final Four, was herausragend wäre. Aber auch wenn nicht, glaube ich, dass wir momentan gut dastehen und wir uns möglichst wenig Stress machen sollten. Klar, ich will, dass die Jungs sich alles zutrauen und möglichst wenig Respekt haben vor der Aufgabe. Natürlich werden wir den nötigen Respekt vor den Spielern des Gegners haben, aber ich werde mich vor dem Spiel mit Sicherheit nicht in die Kabine stellen und vor meinen Jungs in der letzten Ansprache von den großen Stars auf der Gegenseite reden.

Am Wochenende Gegner: Maik Zirbes gewann 2018 mit Stefan Jovic (r.) den Pokal
Am Wochenende Gegner: Maik Zirbes gewann 2018 mit Stefan Jovic (r.) den PokalAm Wochenende Gegner: Maik Zirbes gewann 2018 mit Stefan Jovic (r.) den Pokal

SPORT1: Wie bewerten Sie die Entwicklung der Bayern in den vergangenen Jahren? Sie sind ja mittlerweile auch in der europäischen Spitze angekommen.

Zirbes: Ja, sind sie definitiv, aber sie haben trotzdem auch noch einen weiten Weg vor sich. Also das Problem allgemein in Deutschland ist – und da wird relativ wenig drüber gesprochen -, dass wir im Vergleich zu anderen Vereinen in Europa extrem viele Steuern zahlen müssen. Ich glaube, dass damit dem deutschen Basketball einfach kein Gefallen getan wird. Ich habe da aber auch keine genaue Lösung für. Nur, wenn man sich überlegt, was für einen Etat Bayern hat: Da kann der Verein dann erstmal noch schön Steuern und BG (Anm. d. Red.: Berufsgenossenschaft) von zahlen. Und Panathinaikos Athen als Beispiel hat wahrscheinlich eh schon deutlich mehr Geld und kann davon dann auch noch nahezu alles in die Gehälter der Spieler investieren. Wie wollen wir da als deutsche Mannschaft mithalten? Deswegen ist es unfassbar schwer. Aber sie machen einen guten Job und wurden jetzt jedes Jahr stetig besser, auch in der Euroleague.

SPORT1: Sie erwähnten schon die zahlreichen Nationalspieler, die Sie noch als Wegbegleiter kennen. Wie bewerten Sie als ehemaliger Nationalspieler die Entwicklung des deutschen Basketballs?

Zirbes: Die Entwicklung ist natürlich grandios. Ich hätte nicht gedacht, dass sich das so entwickelt – und wir damals hätten das definitiv auch nicht so hinbekommen. Das hat man ja auch gesehen (lacht). Das tut dem deutschen Basketball sehr, sehr gut. Ich glaube, dass allgemein Basketball in Deutschland sehr krass auf dem Weg nach oben ist, im Moment. Speziell auch wegen der Nationalmannschaft und was die Jungs alles erreicht haben. Darüber freue ich mich natürlich riesig. Das ist ein großer Gewinn für den Sport in Deutschland, definitiv.