Ob es purer Zufall war oder nicht, dass sich Kasper Hjulmand ausgerechnet, nachdem die Stadionregie am Samstag in der 38. Minute die Statistiken eingeblendet hatte, erstmals für einige Momente in Ruhe hinsetzte, ist nicht überliefert. Die Zahlen auf jener Abbildung hätten jedenfalls einen ziemlich passenden Anlass geboten. Fünf Torschüsse für den VfL Wolfsburg, null Treffer. Drei Torschüsse für Bayer Leverkusen, drei Treffer. Möglicherweise registrierte der 53-Jährige das wohlwollend.
Eine Definition für eine perfekte erste Halbzeit gibt es eigentlich nicht. Was die Werkself in der Autostadt fabrizierte, kam dem allerdings schon sehr nahe. Eine optische Überlegenheit gepaart mit einer wahnsinnigen Effizienz. Während der Auftritt der nach wie vor kriselnden Hausherren lange einer mittelschweren Bankrotterklärung ähnelte, benötigten die Gäste gerade einmal drei saubere Angriffe, um die Sache in die richtigen Bahnen zu lenken und sich dort zu positionieren, wo sie sich selbst sehen: unter den ersten vier. Hjulmand sei Dank.
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CAPTION: Kasper Hjulmand ist mit Bayer Leverkusen auf Platz drei vorgerückt
DESCRIPTION: Kasper Hjulmand ist mit Bayer Leverkusen auf Platz drei vorgerückt
Im Sommer wurde in Leverkusen viel geredet – vor allem während der Wochen unter dem schnell wieder entlassenen Erik ten Hag. Über einen „Downfall“ nach zwei herausragenden Spielzeiten mit Xabi Alonso. Über einen vermeintlich unauffangbaren Qualitätsverlust nach den Abgängen wichtiger Akteure wie Florian Wirtz, Granit Xhaka oder Jonathan Tah. Doch der Däne stabilisierte den Verein in einer Geschwindigkeit, die wohl die wenigsten für möglich gehalten hatten.
„Überrascht, dass es so schnell und so gut funktioniert“
Das letztlich souveräne, aber nicht wirklich glanzvolle 3:1 in Wolfsburg katapultierte Bayer auf Rang drei. Unter der Leitung des neuen Trainers holte die Mannschaft in den ersten neun Bundesliga-Spielen nun 22 von 27 möglichen Punkten. Ein imposanter Zwischenspurt. Damit stellte Hjulmand einen klubinternen Startrekord auf. Die bisherige Bestmarke hatte Jupp Heynckes mit 21 Zählern aus seinen ersten neun Partien im Jahr 2009 inne. Aktuell steht Leverkusen sogar besser da als im Vorjahr, als man zum gleichen Zeitpunkt 20 Punkte auf dem Konto hatte.
„Wir haben 13 neue und viele junge Spieler. Ich bin schon etwas überrascht, dass es so schnell und so gut funktioniert“, sagte der wiedererstarkte Jonas Hofmann. Denn nicht nur der riesige Umbruch, den Leverkusen erlebt hat, machte Hjulmands Aufgabe von Beginn an ungleich schwerer. Hinzu kamen unter anderem die fehlende Vorbereitung, die ständigen englischen Wochen und eine ganze Reihe von Verletzten.
Exequiel Palacios und Ezequiel Fernández fallen schon seit Längerem aus und benötigen noch weitere Zeit für ihre Rückkehr. Gleiches gilt für Lucas Vázquez, der ursprünglich als neue Führungskraft verpflichtet wurde. Nathan Tella musste wie Axel Tape lange pausieren. Auch Patrik Schick, Malik Tillman und Jarell Quansah waren in der laufenden Saison bereits betroffen. Rumjammern wollte Hjulmand jedoch nie. Vielmehr konzentrierte er sich stets darauf, die Stabilisierung der Mannschaft mit dem vorhandenen Personal voranzutreiben.
Hjulmand: „Sehr klar und verständlich in seinen Anweisungen“
„Kasper ist sehr klar und verständlich in seinen Anweisungen, in seiner Idee. Ich mag das, weil es aus meiner Sicht so ist: Je einfacher ein Trainer es hält, desto besser und schneller versteht ihn eine Mannschaft“, schilderte Hofmann bereits in der vergangenen Woche im Interview mit SPORT1: „Das ist in einer Umbruchphase besonders hilfreich. Viel Schnickschnack bedeutet nämlich nicht automatisch, dass der Plan besser wird. Wir sind dadurch immer gut vorbereitet. Jeder Spieler weiß, was seine Aufgaben sind.“ Auf dem Platz sind diese wiederum klar erkennbar.
Gleiches gilt für die Elemente, die im Fußball grundsätzlich essentiell sind, um an die oberen Grenzen des Leistungslimits zu gelangen, zu Saisonbeginn aber nicht zwingend typisch für Bayer waren: Robustheit in Zweikämpfen, eine hohe Laufbereitschaft, Konsequenz und eine kompakte Abwehrarbeit. Ein oft schnelles Umschalten nach Ballgewinnen, ein situativ gezieltes Anlaufen – vieles klappt inzwischen wieder. Zumal Hjulmand, selbst ein eher ruhiger Zeitgenosse und keine Galionsfigur wie Alonso, die Stärken der einzelnen Spieler offenbar geschickt einzusetzen weiß.
Dass Hjulmand es in seinem Vorgehen generell recht simpel halte, solle dessen Trainerqualitäten „nicht schmälern“, erneuerte Hofmann in Wolfsburg sein Lob für den Chefcoach noch einmal: „Man muss es eher in die andere Richtung sagen: Das verbessert sogar sein Trainer-Dasein. Kasper merkt durch seine Erfahrung, wie er mit den Spielern umzugehen hat. Er gibt uns Spielern das mit, was wir umsetzen müssen. Und das machen wir momentan einfach – ich will nicht sagen eiskalt, aber souverän. Deshalb harmoniert das gerade alles sehr gut.“
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CAPTION: "Was ich damit sagen will…" Redet Hjulmand die Klatsche schön?
DESCRIPTION: Bayer-Trainer Kasper Hjulmand äußert sich zu den Chancen von Bayer Leverkusen auf die Playoffs in der Champions League. Zudem spricht er über die Höhe der Niederlage gegen PSG.
Bayer-Trainer Kasper Hjulmand äußert sich zu den Chancen von Bayer Leverkusen auf die Playoffs in der Champions League. Zudem spricht er über die Höhe der Niederlage gegen PSG.
Sind Hjulmand und Bayer das „Perfect Match“?
In den vergangenen Jahren stand der Däne mehrfach auf dem Zettel der Leverkusener, als neue Trainer gesucht wurden. Jetzt ist Hjulmand im Rheinland angekommen – und es wirkt für die aktuelle Situation wie ein „Perfect Match“. Dass der Weg zurück nach ganz oben noch weit ist, haben die Partien gegen Paris Saint-Germain und den FC Bayern bewiesen. Trotz allem zeigt das Team unter seiner Führung, was in dieser Umbruchssaison am wichtigsten ist: eine nicht immer schöne oder spektakuläre, dafür aber erfolgreiche Spielweise, die in den kommenden acht Tagen enorm auf die Probe gestellt wird.
Mit dem Gastspiel in der Champions League bei Manchester City sowie den Liga- und Pokalduellen mit Borussia Dortmund warten harte Brocken. Doch in Panik muss deswegen niemand mehr verfallen. Hjulmand hat die grundlegenden Mängel längst behoben und wieder eine funktionierende Einheit geformt. Oder, wie man im Podcast „Gemischtes Hack“ sagen würde: die Probleme dänisch abgewickelt. Diese also auf eine nette, diplomatische und wenig aufregende Art gelöst.