Gleich zweimal machte „D10S“ dem Mini-Klub aus Buenos Aires seine Aufwartung. „Im Fußball bekommst du nichts geschenkt“, sagte Diego Maradona den ehrfürchtigen Zuhörern an diesem denkwürdigen Tag in der Kabine.
„Ich habe den Engländern ein Tor mit der Hand reingewürgt und mich dabei wie verrückt amüsiert. Denn wenn man einen Vorteil nutzen kann, muss man ihn nutzen“, erklärte Maradona 2013 den damaligen Spielern.
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CAPTION: Riestra-Keeper Ignacio Arce
DESCRIPTION: Riestra-Keeper Ignacio Arce
Zehn Jahre später war Maradona wieder da und stellte sich 2023 mit den jubelnden Spielern zum Mannschaftsfoto auf: Deportivo Riestra hatte gerade Deportivo Maipu aus Mendoza besiegt und nach einem Marsch durch die Ligen den Aufstieg in die erste argentinische Liga perfekt gemacht. Von nun an hießen die Gegner River Plate oder Boca Juniors.
Hier kämpfen die Menschen ums Überleben
Dass Maradonas Ratschlag auf fruchtbaren Boden gefallen war, ist keine Überraschung. Denn Argentiniens Mini-Klub Deportivo Riestra kommt aus einer Gegend in der Hauptstadt, in der die Menschen ums Überleben kämpfen müssen.
Gleich nebenan grenzen die Armenviertel, ein User beschreibt die Lage des Mini-Stadions, das gerade mal 3000 Menschen Platz bietet, so: „Das Stadion ist eher für die dritte Liga geeignet, und die Einrichtungen sind miserabel. Die Lage ist auch nicht gut, und sie sollten besser tagsüber spielen, denn sonst kann man es vergessen – dann wird einem in der Gegend alles gestohlen.“
Auch das Arbeiterviertel Flores, in dem der im Frühjahr verstorbene Papst Franziskus in jungen Jahren zu Hause war, ist gleich nebenan. Genauso wie die Spielstätte des Lieblingsklubs von Franziskus: San Lorenzo.
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CAPTION: Kleines Stadion, mächtige Stimmung
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Trotz der übermächtigen Konkurrenz gelang Deportivo Riestra die Qualifikation für das Achtelfinale um die argentinische Meisterschaft. Dort treffen die Gastgeber am Montagabend (21 Uhr MEZ) im beschaulichen Stadion Guillermo Laza auf einen anderen kleinen Club aus der Hauptstadt: Barracas Central.
Deren Heimstätte und das Stadion von Riestra trennen gerade mal 14 Autominuten oder sieben Kilometer. Es riecht nach Arbeiterfußball, Blutgrätsche und Kampfgeist.
Maradona als Publikums-Magnet
Dabei ist der Aufstieg von Deportivo Riestra vor allem dem Strategieplan eines Mannes zu verdanken, der nicht nur im Fußball polarisiert: Víctor Stinfale ist Geschäftsmann, Strafverteidiger für die Hardcore-Verbrecher, Attentäter und der ehemalige Anwalt von Diego Maradona.
Vor allem aber ist er ein Mann mit der Nase für Gelegenheiten. Diego Maradona band er geschickt für seine Strategie ein. Mal leitete „D10S“ publikumswirksam eine Trainingseinheit, dann saß er bei Heimspielen auf der Tribüne, zeigte sich interessiert am Projekt.
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CAPTION: Diego Maradona mit seinem Vater im Riestra-Stadion
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Eingerahmt war das Ganze in einer Art strategischer Partnerschaft für den Getränkedosenhersteller „Speed“. Ein Energydrink, den es in Argentinien in jedem Kiosk zu kaufen gibt und der zu Stinfales Machtimperium gehört.
Riestra inszeniert sich selbst
„Als Víctor begann, über einen Einstieg in den Profifußball nachzudenken, suchten wir nach einem Verein der Primera D mit schwarzen Trikots. Auf dieser Liste standen Fénix, El Porvenir, Claypole und Deportivo Riestra. Die Idee war, das zu verwirklichen, was man heute in Riestra sieht: elf Dosen Speed, die auf dem Spielfeld verstreut sind”, sagte Manager Diego Figueroa der Zeitung „La Nacion“ im vergangenen Jahr.
Bisweilen übertreibt es der Klub aber auch mit dem Marketing. Im November ließ er den Streamer „Spreen“ für 78 Sekunden in der Partie gegen Velez Sarsfield aufs Feld und löste damit im etablierten und traditionsbewussten Fußball eine Welle der Empörung aus. Genau das war allerdings auch so gewollt, die mediale Aufmerksamkeit garantiert.
Dabei hat Deportivo Riestra vor allem sportlich in dieser Saison für Schlagzeilen gesorgt. Hätte die Mannschaft am Ende nicht etwas geschwächelt, hätte es sogar mit einer direkten Qualifikation für die Copa Libertadores – der südamerikanischen Champions League – geklappt.
Sportdirektor Diego Figueroa stellt deswegen im argentinischen Radio klar: „Ich sehe es so, und in den Medien wird es deutlich zum Ausdruck gebracht, dass Riestra aufgrund seiner Arbeit, seiner Ordnung, seines Wachstums und seiner eigenen Spieler dort steht, wo er steht. Wir sind dort, wo wir sind, weil wir es verdienen, dort zu sein.“
Der Grund für den Erfolg seien klare Regeln, an die sich alle zu halten hätten. Es gäbe Ordnung und ein System, das strikt angewendet werde. „Auch im Zusammenleben. Man sieht das Gelände und es ist ordentlich, man sieht keine Spieler in Flip-Flops und mit nacktem Oberkörper, es gibt Regeln, die die Mannschaft und das Personal des Geländes strikt einhalten“, sagt Figueroa. Vielleicht auch am Montagabend, wenn es um den Einzug ins Viertelfinale um die argentinische Meisterschaft geht.