Der Startschuss für die neue Biathlon-Saison rückt immer näher. Speziell beim Auftakt im schwedischen Östersund ab Samstag werden sich viele Augen auch auf das Gastgeber-Team richten. Verantwortlich für dieses ist Cheftrainer Johannes Lukas.

Der in München geborene 32-Jährige mischt mit der schwedischen Mannschaft seit Jahren vorne mit, 2023 wurde er bei der schwedischen Sportgala sogar zum Trainer des Jahres gekürt. Doch die großen Erfolge haben auch die Erwartungen an ihn und sein Team um die Öberg-Schwestern sowie Sebastian Samuelsson anwachsen lassen.

Biathlon-Coach Johannes Lukas verfolgt mit Schweden große Ziele
Biathlon-Coach Johannes Lukas verfolgt mit Schweden große ZieleBiathlon-Coach Johannes Lukas verfolgt mit Schweden große Ziele

Im SPORT1-Interview blickt Lukas auf die Herausforderung Olympia und erklärt, bei welchen seiner Stars es gut läuft und wer noch Sorgen bereitet. Außerdem äußert er sich zum deutschen Herrenteam, Franziska Preuß und seinem Austausch mit der Fußball-Welt.

SPORT1: Herr Lukas, die olympische Saison steht kurz bevor. Die Winterspiele finden mit Antholz mal wieder in einem echten Wintersport-Ort statt. Wie wichtig ist das?

Johannes Lukas: Das wird ein einzigartiges Ereignis, auch für mich. Es sind meine dritten Olympischen Spiele, aber bis jetzt waren wir nur in Asien. Das hat auch einen Reiz, aber gerade mit Blick auf die Zuschauer sind wir im Biathlon sehr verwöhnt von vollen Strecken und Stadien. Das erwarten wir in Antholz und das ist das Signal, das wir rausschicken wollen: Dass der Sport Emotionen freisetzt, um auch neue Athleten zu generieren, und zu zeigen, dass der Sport andere Grenzen überschreiten kann. Da ist Olympia vor der Haustür eine Riesenchance.

Was Elvira Öberg für den Gesamtweltcupsieg braucht

SPORT1: Sprechen wir über die schwedischen Damen. Elvira Öberg hat das Ziel, den Gesamtweltcup zu gewinnen, bislang klappte das aber nicht. Was fehlt ihr noch?

Lukas: Wenn man auf letztes Jahr schaut, ist es die Krankheit, die uns einen Strich durch die Rechnung gemacht hat, aber sie ist immer in den Top 5, Top 3 im Gesamtweltcup vertreten. Sie hat supergute Saisons, aber damit wir um den Gesamtweltcup bis zum Ende mitkämpfen können, müssen wir gesund bleiben. Das ist die größte Herausforderung.

Franziska Preuß gelang mit dem Gesamtweltcup-Sieg im vergangenen Winter ein großer Coup. Biathlon-Weltmeister Benedikt Doll äußert sich dazu, wie schwer es für den DSV-Star wird, diesen Erfolg zu wiederholen.

Franziska Preuß gelang mit dem Gesamtweltcup-Sieg im vergangenen Winter ein großer Coup. Biathlon-Weltmeister Benedikt Doll äußert sich dazu, wie schwer es für den DSV-Star wird, diesen Erfolg zu wiederholen.

SPORT1: Bei Ella Halvarsson läuft die Vorbereitung sehr gut, Hanna Öberg war hingegen ein paar Mal krank über den Sommer. Linn Gestblom musste die vergangene Saison auslassen, nachdem sie zwei Schulter-OPs hinter sich hatte. Wie steht es um das Team?

Lukas: Mit Hanna hatten wir einen schwierigen Sommer. Wir mussten beide Höhentrainingslager abbrechen. Hanna hat aber so viel Erfahrung. Wenn wir den Körper Schritt für Schritt aufbauen, kann sie in sehr guter Form zurückkommen. Bei Linn ist es schwer zu sagen. Es ist eine sehr schwerwiegende Verletzung gewesen. Eine, bei der die meisten wahrscheinlich dem Karriereende nahe sind. Sie kämpft sich immer mehr zurück. Bei der schwedischen Meisterschaft ging es mal sehr gut, aber wir haben auch den einen oder anderen Rückschlag einstecken müssen.

„Die Norweger schlagen“: Lukas ruft großes Ziel aus

SPORT1: Blicken wir auf die Herren. Sebastian Samuelsson war von seinem Ziel, den Gesamtweltcup zu gewinnen, bislang immer ein gutes Stück entfernt. Woran liegt das?

Lukas: Mit Johannes Thingnes Bö haben wir in den letzten Jahren den vermutlich besten Biathleten aller Zeiten gehabt. Es ist schwer, ihn zu schlagen, aber wir haben auch gesehen, dass wir es an perfekten Tagen schaffen können. Natürlich ist mit Sturla (Holm Laegreid, Anm. d. Red.) auch weiter ein Top-Kandidat dabei, aber du hast eine höhere statistische Chance. Sebastian hat sich sehr gut entwickelt im Sommer, deswegen wird er definitiv angreifen wollen. Das Ziel ist es, die Norweger irgendwann zu schlagen.

SPORT1: Im deutschen Herrenteam fehlt seit einiger Zeit ein richtiger Siegläufer. Sie werden das als Münchner auch im Blick haben. Wem trauen Sie am meisten zu?

Lukas: Ich habe damals selbst noch mit Philipp Nawrath trainiert. Der ist ein super Athlet, der auch immer wieder zeigt, dass er an seinen besten Tagen ganz weit vorne mitmischen kann und ich hoffe, dass er sich weiter auf dem hohen Niveau stabilisiert. Wir brauchen Biathlon-Deutschland ganz oben. Auch der Erfolg von Franzi (Preuß) hat allen gutgetan. Das hat diese positive Energie wieder verbreitet. Man braucht sich nur die Sponsoren des Biathlons anzuschauen; da ist Deutschland der wichtigste Partner, und deswegen freut es mich immer, wenn die Deutschen gut sind – aber am liebsten natürlich einen Platz hinter den Schweden. (grinst)

Schweden-Coach Lukas schwärmt von Preuß

SPORT1: Wie blickt man in Schweden auf den Gesamtweltcup-Sieg von Franziska Preuß? Kann dies auch für Ihre Mannschaft eine Inspiration sein, weil sie es trotz zahlreicher gesundheitlicher Rückschläge bis ganz nach oben schaffte?

Lukas: Absolut. Ich kenne Franzi schon ewig. Mich hat es super gefreut für sie, weil ich weiß, wie viel sie durchgemacht hat die letzten Jahre. Dann so ein Comeback hinzulegen, ist natürlich eine Inspiration. Sie war über die ganze Saison hinweg brutal stark, gerade am Schießstand, wirklich phänomenal. Sie ist eine Vorzeigeathletin und es hat uns alle gefreut.

SPORT1: Ab dem kommenden Jahr gibt es einige Änderungen im Biathlon-Kalender. Unter anderem wird es einen Weltcup über Neujahr auf der Pokljuka geben. Was halten Sie davon?

Lukas: Wir wissen alle, dass die Fernsehquoten gerade um die Neujahrszeit brutal hoch sind, da viele Leute zu Hause sind und Zeit haben. Daher bin ich mir sicher, dass das gut einschlagen wird. Der Nachteil ist, dass wir alle eine sehr kurze Weihnachtspause haben. Wir reisen jetzt schon sehr viel, das ist für das Privatleben nicht förderlich. Die ersten Athleten bei uns kriegen jetzt Kinder, es ist für die auch eine Herausforderung. Man hat schon auf diesen freien Weihnachtsblock hingefiebert. Dann gibt es noch das Event auf Schalke vorher und wenn du auch noch das Loop One Festival vor der Saison hast, wird es extrem. Es ist wichtig, die Balance zu finden.

In den Biathlon-Saisons 2026/27 und 2028/29 wird erstmals ein Biathlon-Weltcup über den Jahreswechsel ausgetragen. Die Athleten zeigen sich grundsätzlich skeptisch, sehen aber auch die Vorteile.

In den Biathlon-Saisons 2026/27 und 2028/29 wird erstmals ein Biathlon-Weltcup über den Jahreswechsel ausgetragen. Die Athleten zeigen sich grundsätzlich skeptisch, sehen aber auch die Vorteile.

Das können sich Biathlon und Fußball voneinander abschauen

SPORT1: Sprechen wir über Ihre Arbeit. Es war zu lesen, dass Sie sich auch mit Janne Andersson, Ex-Coach der schwedischen Fußball-Nationalmannschaft, ausgetauscht haben. Was kann man sich beim Fußball abschauen?

Lukas: Ich habe früher in München (bei 1860) als Athletiktrainer gearbeitet, wo ich viel gelernt habe. Du hast eine eingeschworene Elf, wo du aber trotzdem eine Balance finden willst für die jungen Spieler, die nachkommen – so ist es bei uns auch ein bisschen, gerade mit den Staffelentscheidungen. Du hast oft vier, wo du sagst, diese Staffel ist sehr gut – aber du willst nicht immer die gleiche Aufstellung haben. Da gibt es viele Verbindungen und natürlich ist der Fußball sehr professionell aufgestellt, gerade in den höchsten Bereichen mit den Nachwuchsleistungszentren. Da kann man sich sehr viel abschauen von dieser frühzeitigen Förderung.

SPORT1: Und was kann der Fußball andersrum noch vom Biathlon lernen?

Lukas: Den Ehrgeiz, bis zum letzten Meter zu kämpfen, egal, ob das zwischen Platz eins und drei ist oder ob es nur um Weltcuppunkte, also Platz 39, 40 geht. Wenn man sich die Weltcups anschaut, wird da bis zum letzten Meter gefightet und ich denke, im Fußball sieht man eher mal ein Spiel, was hinten raus abflacht. Das gibt es im Biathlon selten, dass einer am Ende aufgibt.

SPORT1: Ihr Vertrag als Cheftrainer der Schweden läuft nach der kommenden Olympia-Saison aus. Haben Sie sich schon Gedanken gemacht, ob Sie den Schweden oder dem Biathlonsport generell treu bleiben?

Lukas: Das stimmt, der Vertrag läuft Stand jetzt aus, aber wir sind schon in Gesprächen. Es ist noch schwierig, eine eindeutige Richtung festzulegen. Ich bin mir sicher, dass ich nächstes Jahr etwas machen werde, aber was genau kann ich noch nicht sagen.

FC Bayern? „Da kann man definitiv viel lernen“

SPORT1: In einem früheren SPORT1-Interview haben Sie scherzhaft erzählt, dass Sie zu einem Cheftrainer-Posten beim FC Bayern auch nicht „nein“ sagen würden. Hatten Sie mal überlegt, den Hörer in die Hand zu nehmen, als vor der Verpflichtung von Vincent Kompany ein Trainer nach dem anderen abgesagt hatte?

Lukas: Ja, das war natürlich im Spaß gesagt. Der Fußball ist immer interessant. Ich bin Münchner, habe da einen engen Draht zum FC Bayern und bin auch großer Fan. Da kann man definitiv viel lernen – aber ich denke, der Sprung zum Cheftrainer ist aktuell sehr unrealistisch (lacht).

SPORT1: Langlauf-Superstar Frida Karlsson hat vor einigen Wochen bei Ihnen im Trainingslager in Frankreich auch mal zur Waffe gegriffen. Haben Sie mal durchblicken lassen, dass Sie bei Interesse an einem Sportarten-Wechsel durchklingeln soll?

Lukas: Jeder weiß, dass wir ein sehr offener Verband sind. Aber in dem Fall ist für mich klar, dass Frida Langläuferin ist. Wir waren am gleichen Trainingsort, haben eine sehr gute Trainingsstruktur, die sie schätzt und bei der sie immer wieder ein Training mitmachen konnte, das ihr gut gefallen hat. Im Endeffekt arbeiten wir als schwedisches Team für das gleiche Ziel – und zwar, dass sie so gut wie möglich vorbereitet ist.