Die hauchdünne Abseitsposition von Gladbach-Profi Franck Honorat beim torlosen Remis am Freitagabend gegen RB Leipzig erhitzt nach wie vor die Gemüter. Nun hat sich auch der frühere Schiedsrichter Manuel Gräfe zu der Szene geäußert.

„Das ist nicht mehr im Sinne des Sports, des Fußballs und auch der Abseitsregel selbst“, sagte Gräfe der Bild und fügte hinzu: „Wenn man aber nicht mehr nach Fernsehbildern erkennen kann, ob ein Spieler im Abseits steht, dann ist das keine Abseitsposition und hier gilt es unbedingt, neue Regularien zu finden und Reformbedarf ist angesagt. Man muss wenigstens auf Bildern erkennen können, dass jemand im Abseits ist und wenn man das nicht mehr kann, gehört das in der Form abgeschafft. Das ist nicht mehr akzeptabel.“

„Man muss erkennen können, wenn jemand im Abseits ist“

Interessant: Gräfe erklärte ausführlich, wie es zu den Millimeter-Entscheidungen kommt – und warum sie nicht so eindeutig sind, wie man vielleicht vermuten könnte: „Die Halbautomatik bedeutet nicht, dass die Maschine alles macht.“

Zunächst schlage „die Maschine erstmal grundsätzlich vor. Wenn man nachfragt, erkennt die Maschine grundsätzlich erst mal einen Spieler im Abseits, ein sogenannter ‚Incident‘.“

„Dazu muss man aber erst mal prüfen: ist das Abspielen richtig definiert? Hier gibt es drei bis zu sieben Bilder, die man noch überprüfen kann, war jetzt das wirklich der Moment der Ballabgabe?“, führte Gräfe aus.

Ein komplett verlässliches Ergebnis ist hierbei offenbar nicht garantiert: „Aufgrund der Informationen, die mir vorliegen, ist das in 95 Prozent auch wirklich von der Maschine der richtige Zeitpunkt in dem Augenblick, wo der Ball gespielt wird.“

Gräfe: Abweichungen um bis zu 20 Zentimeter

Gut sei das maschinelle System immer dann, wenn sie die Positionierung der Füße von zwei fraglichen Spielern vergleichen müsse: „Aber wenn der Körper gegen Füße geht, dann geht es darum den Körperschwerpunkt zu definieren“, erklärte Gräfe. Und hierbei gebe es deutliche Abweichungen.

„Dieses Festlegen aber dieses Körperschwerpunktes verschiebt die Linie um bis zu 20 Zentimeter und deshalb musste ich früher immer schon schmunzeln, wenn es hieß, ja wenn die Linie erst mal angelegt ist, dann muss man dem System vertrauen“, meinte Gräfe abschließend.

Man sollte die Entscheidungen auf dem Feld daher nur dann revidieren, wenn man sie auch „eindeutig visuell widerlegen“ könne.

„Darum ging es mal beim Video-Schiedsrichter“

Es gibt laut Gräfe „noch viel mehr, was der Video-Schiedsrichter wieder kontrollieren und überprüfen muss und wo man individuell entscheiden muss, so dass diese Millimeter-Entscheidung es nicht rechtfertigen, dort einzugreifen.“

„Wenn etwas klar und offensichtlich falsch ist, dann sollte der VAR eingreifen. Darum ging es mal beim Video-Schiedsrichter“, sagte Gräfe, „dann muss eingegriffen werden und das sollte auch für Abseits gelten.“

Gräfe schlug vor: „Da gehört ein bestimmter Bereich reformiert – nämlich spätestens jetzt die Programmierung dieser ganzen Systeme. Man muss wenigstens erkennen können, dass jemand im Abseits ist.“